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LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.10.2016, 5 Sa 1647/10
Schlagworte: | Befristung: Vertretung, Befristungskontrollklage | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 1647/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 21.10.2016 | |
Leitsätze: | Bei einer so genannten Doppelbefristung ist § 15 Abs. 5 TzBfG nicht anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis nach Zweckerreichung bis zum kalendermäßig bestimmten Ende fortgesetzt wird. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 15.9.2010, 4 Ca 1337/10 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2013, 7 AZR 324/11 |
|
Tenor:
1)Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 15.09.2010 - 4 Ca 1337/10 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2)Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3)Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
TATBESTAND:
Die Parteien streiten über die Frage, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis wirksam befristet worden ist.
Die am 11.07.1974 geborene Klägerin ist seit dem 21.11.2006 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Sie war zunächst auf der Grundlage eines befristeten Vertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG vom 20.11.2006 bis zum 31.07.2007 tätig. Dieser Vertrag wurde in der Folgezeit mehrfach gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG verlängert, und zwar zuletzt bis zum 20.11.2008. Mit einem weiteren befristeten Vertrag vom 18.11.2008 verlängerten die Parteien das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03.2009 und gaben hierbei als Sachgrund "Vertretung bis Ansatz Azubi Prüfungsjahrgang 2009/I" an. Mit Vertrag vom 16.03.2009 erfolgte eine weitere Verlängerung bis zum 31.12.2009 (Sachgrund: Haushaltsmittel) und am 11.12.2009 ein weiterer befristeter Vertrag bis zum 30.06.2009. Im zuletzt genannten Vertrag heißt es zur Begründung ausdrücklich:
Frau O. N. wird ab 01.01.2010 als Vollzeitbeschäftigte eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum Erreichen folgenden Zwecks: "Vertretung der Beauftragten Arbeitnehmerin Frau G."; längstens bis zum 30.06.2010.
Wegen der Einzelheiten der angesprochenen Arbeitsverträge wird im Übrigen auf Blatt 4 ff. der Akten verwiesen.
Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 2.345,25 €.
Mit ihrer am 25.06.2010 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat die Klägerin die Rechtsunwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung geltend gemacht. Sie hat das Vorliegen eines Sachgrundes bestritten und unter anderem darauf verwiesen, dass bereits Mitte Januar 2010 festgestanden hätte, dass die von ihr zu vertretende Frau G. nicht mehr an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren würde. Gleichwohl sei sie, die Klägerin, trotz Zweckerreichung weiter beschäftigt worden und es sei demgemäß nach § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristeter Arbeitsvertrag entstanden.
Die Klägerin hat beantragt,
1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung vom 01.01.2010 zum 30.06.2010 beendet worden ist;
2.im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 30.06.2010 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als vollzeitbeschäftigte Angestellte der Tätigkeitsebene V des TV-BA weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, die Klägerin sei zur Vertretung der Angestellten Frau G. befristet beschäftigt worden. Frau G. sei ursprünglich als Telefon-Service-Beraterin im Servicecenter der Agentur für Arbeit in E. beschäftigt gewesen. Ab dem 17.03.2009 sei sie im Rahmen einer Personalentwicklungsmaßnahme vorübergehend mit den Tätigkeiten einer Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben in der Agentur für Arbeit in E. befasst worden. Bei Abschluss des Vertrags mit der Klägerin sei man davon ausgegangen, dass die Beauftragung der Frau G. als zusätzliche Arbeitsvermittlung noch mindestens bis zum 30.06.2010 weiterlaufen würde, weil weiterhin Haushaltsmittel bis zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht bekannt gewesen, dass sich Frau G. mit Bewerbung vom 02.12.2009 auf die Stelle einer Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben in der Agentur für Arbeit in P. beworben hätte. Hiervon sei der zuständige Personalberater erst am 14.01.2010 informiert worden. Mit Wirkung zum 01.03.2010 sei Frau G. dann mit dem Ziel der Versetzung von der Agentur für Arbeit in E. zur Agentur für Arbeit in P. abgeordnet worden und es seien ihr dort zunächst vorübergehend die Tätigkeiten einer Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben übertragen worden. Erst mit Wirkung zum 01.06.2010 sei Frau G. dann (endgültig) zur Agentur für Arbeit in P. versetzt worden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, in Ansehung der vereinbarten Doppelbefristung sei die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG nicht anwendbar. Hieraus wiederum folge, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Ablauf des 30.06.2010 geendet hätte.
Mit Urteil vom 15.09.2010 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Duisburg - 4 Ca 1337/10 - dem Klagebegehren der Klägerin entsprochen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Parteien hätten eine so genannten Doppelbefristung vereinbart, nämlich zum einen eine Zweckbefristung, zum anderen eine Zeitbefristung auf den 30.06.2010. Der Zweck sei am 01.06.2010 erreicht worden, als festgestanden hätte, dass Frau G. nicht mehr zurückkehren würde. Da die Klägerin über den 01.06.2010 hinaus weitergearbeitet hätte, sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG von einem nunmehr unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 27.10.2010 zugestellte Urteil mit einem am 26.11.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 15.12.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Sie wiederholt ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und weist zur Begründung der Befristung darauf hin, dass die Klägerin Tätigkeiten verrichtet hätte, die letztlich wegen der Abwesenheit von Frau G. im Servicecenter der Agentur für Arbeit E. zur Verfügung gestanden hätten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Teams der Agentur würden sämtlich identische Tätigkeiten in einer Art Callcenter mit der Folge ausführen, dass es auf die Frage, in welchem der Teams der Vertretungsbedarf entsteht, letztlich nicht ankomme. Entscheidend sei vielmehr, dass durch die Abwesenheit der Frau G. Arbeitskraft in den Teams gefehlt hätte, die durch die Klägerin abgedeckt werden sollte. Es sei darüber hinaus auch von einer hinreichend sicheren Rückkehrprognose auszugehen. Frau G. sei mit Wirkung ab dem 17.03.2009 vorübergehend abgeordnet worden, um als Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben tätig zu werden. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin am 11.12.2009 sei man seitens der Beklagten auch davon ausgegangen, dass die Beauftragung der Mitarbeiterin G. noch mindestens bis zum 30.06.2010 weiterlaufen werde, weil bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin Haushaltsmittel zur Verfügung gestanden hätten. Keinesfalls hätte bereits vorher festgestanden, dass die Mitarbeiterin G. nicht mehr in das Servicecenter auf ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren würde.
Die Beklagte vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass durch die Weiterbeschäftigung der Klägerin über das Ende der Abordnung der Mitarbeiterin G. hinaus kein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin entstanden wäre. Die Beklagte meint in diesem Zusammenhang, dass § 15 Abs. 5 TzBfG auf Fälle der hier vereinbarten Doppelbefristung nicht anwendbar wäre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 15.09.2010 - 4 Ca 1337/10 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin meint zunächst, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden könnte, weil Frau G. vorübergehend mit anderen Arbeitsaufgaben betraut worden sei und es deshalb an einer Abwesenheit des zu Vertretenen fehle.
Darüber hinaus vertritt die Klägerin die Auffassung, dass der von der Beklagten angeführte Ausfall der Stammmitarbeiterin G. nicht kausal für die Einstellung der Klägerin gewesen wäre. Die Klägerin sei vielmehr seit dem Jahre 2006 ununterbrochen im Team 602 tätig gewesen, während Frau G. durchgehend zu jedem Zeitpunkt im Team 605 gearbeitet hätte. Die konkrete Befristung der Klägerin könne deshalb nicht auf der vorübergehenden Abwesenheit der Frau G. beruhen. Darüber hinaus, so die Klägerin weiter, sei auch keine gesicherte Rückkehrprognose festzustellen, weil sich der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der Klägerin im Dezember 2009 ganz erhebliche Zweifel hätten aufdrängen müssen, dass Frau G. nicht mehr an ihren Stammarbeitsplatz zurückkehren würde.
Die Klägerin weist weiter darauf hin, dass es an einer Kongruenz zwischen dem Abwesenheitszeitraum und der Befristungsdauer fehle, so dass auch aus diesem Grund von einer Rechtsunwirksamkeit der Befristung auszugehen sei.
Schließlich vertritt die Klägerin die Auffassung, dass § 15 Abs. 5 TzBfG auch in Fällen der vorliegenden Art anzuwenden sei. Dann aber sei durch ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung über den 01.06.2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Auch in der Sache selbst hatte das Rechtsmittel Erfolg.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist infolge der Befristungsabrede im Vertrag vom 11.12.2009 mit dem 30.06.2010 beendet worden, weil die Befristung durch einen sachlichen Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt ist.
1.Die Parteien haben im Dezember 2009 eine so genannte Doppelbefristung vereinbart, gegen deren grundsätzliche Zulässigkeit keine Bedenken bestehen.
1.1Eine Doppelbefristung zeichnet sich dadurch aus, dass zum einen im Rahmen einer so genannten Zweckbefristung auf die Abwesenheit der zu vertretenden Kraft abgestellt wird. Mit dem Zusatz "längstens bis zum 30.06.2010" ist daneben eine Kalenderbefristung im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. TzBfG vereinbart worden. Derartige Doppelbefristungen können nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung in Wahrnehmung der Vertragsfreiheit von den Arbeitsvertragsparteien vorgenommen werden (BAG 22.04.2009 - 7 AZR 768/07 - n. v.; LAG Hamm 12.10.2009 - 11 Sa 802/09 - n. v.).
1.2Aus den getroffenen Vereinbarungen der Parteien im Vertrag vom 11.12.2009 ergibt sich eindeutig, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Rückkehr der zu vertretenden Frau G. beendet werden sollte. Darüber hinaus waren sich die Parteien aber ebenso einig, dass der befristete Arbeitsvertrag spätestens mit Ablauf des 30.06.2010 sein Ende finden sollte.
2.Die so dargestellte Doppelbefristung ist rechtswirksam, weil sie durch einen sachlichen Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG gedeckt ist. Die Befristung erfolgte nämlich zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG.
2.1Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend wegen Krankheit oder sonstigen Gründen ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Teil des Sachgrunds ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Erkrankung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird. Der Sachgrund der Vertretung setzt des Weiteren einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers muss wegen des Arbeitskräftebedarf erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht (BAG 06.10.2010 - 7 AZR 397/09 - BB 2011, 564; BAG 25.03.2009 - 7 AZR 34/08 -
NZA 2010, 34).
Die Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung. Nimmt der Arbeitgeber den Vertretungsfall zum Anlass für eine befristete Beschäftigung, ist aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Dabei hat der Arbeitgeber in Fällen der unmittelbaren Vertretung darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren. Wird die Tätigkeit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers nicht von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare Vertretung), hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen. Nimmt der Arbeitgeber den Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass, die Aufgaben in seinem Betrieb oder seiner Dienststelle neu zu verteilen, so muss er zunächst die bisher dem vertretenen Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben darstellen. Anschließend ist die Neuverteilung dieser Aufgaben auf einen oder mehrere andere Arbeitnehmer zu schildern. Schließlich ist darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuweisung ergeben (BAG 18.04.2007 - 7 AZR 293/06 - AP Nr. 33 zu § 72 LPVG NW).
Schließlich kann der erforderliche Kausalzusammenhang aber auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen. In diesem Fall ist aber zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet. Dies kann insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag geschehen (BAG 06.10.2010, a. a. O.; BAG 14.04.2010 - 7 AZR 121/09 - EzA § 14 TzBfG Nr. 65).
2.2Hiernach ist davon auszugehen, dass sowohl für die Zweckbefristung als auch für die kalendermäßig bestimmte Befristung im Arbeitsvertrag vom 11.12.2009 ein sachlicher Grund bestand, nämlich die vorübergehende Abwesenheit der Mitarbeiterin G..
2.2.1Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern ist die erkennende Kammer der Auffassung, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG auch dann Anwendung findet, wenn der zu vertretende Arbeitnehmer nicht vollständig "abwesend" ist. Die oben umfassend zitierte Rechtsprechung insbesondere des Bundesarbeitsgerichts geht für den Vertretungsfall nur davon aus, dass eine vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers besteht. Grund oder Anlass für diese Abwesenheit sind dabei uninteressant und es wird insbesondere auch nicht gefordert, dass der zu vertretende keine anderweitigen Aufgaben erfüllt. Entscheidend ist einzig und allein die Feststellung der tatsächlichen Abwesenheit und eine - und noch darzustellende - gesicherte Rückkehrprognose.
2.2.2Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass es zu keiner unmittelbaren Vertretung der Mitarbeiterin G. gekommen ist. Diese ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung für die Feststellung des Kausalzusammenhangs nicht erforderlich.
Die Beklagte hat nach entsprechenden Hinweisen der Klägerin im Berufungsrechtszug substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Klägerin zwar durchgehend im Servicecenter der Agentur für Arbeit E. eingesetzt gewesen ist, und zwar im Team 602. Die Beklagte hat darüber hinaus ebenso substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass durch den Ausfall der Mitarbeiterin G. Arbeitsaufgaben in allen Teams des Servicecenters zu erledigen waren, die für einen begrenzten Zeitraum von der Klägerin erfüllt werden sollten. Darüber hinaus steht aber auch fest, dass der abwesenden Mitarbeiterin G. im Falle ihrer Anwesenheit die Aufgaben hätten übertragen werden können, die letztlich von der Klägerin erledigt worden sind. Dann aber muss insgesamt davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeiten der Klägerin letztlich und kausal auf die Abwesenheit von Frau G. zurückzuführen sind und damit der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Abwesenheit und befristeter Vertretung zu bejahen ist.
2.2.3Es fehlt auch nicht an einer nach außen erkennbar gewordenen gedanklichen Zuordnung.
Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig, dass im Arbeitsvertrag vom 11.12.2009 die "Vertretung der beauftragen Arbeitnehmerin Frau G." ausdrücklich genannt worden ist. Dies reicht aus, um auch nach außen den Kausalzusammenhang sichtbar zu machen und zu gewährleisten.
2.2.4Die erkennende Berufungskammer geht schließlich auch davon aus, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrages vom 11.12.2009 von einer gesicherten Rückkehrprognose im Sinne der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen werden durfte.
Teil des Sachgrunds der Vertretung ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Beurlaubung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird. Auch eine wiederholte Befristung wegen der mehrfachen Verhinderung der zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nicht entgegen. Nur wenn der Arbeitgeber im Ausnahmefall aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dies setzt allerdings voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Vertretungskraft verbindlich erklärt hat, dass er die Arbeiten nicht wieder aufnehmen werde. Nur dann also, wenn der Arbeitgeber weiß, dass der Vertretene nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird oder aufgrund besonderer Umstände daran erhebliche Zweifel hat, kann die Befristung des Arbeitsvertrags sachlich nicht gerechtfertigt sein (BAG 25.03.2009 - 7 AZR 34/08 - a. a. O.; BAG 23.01.2002 - 7 AZR 440/00 - AP Nr. 231 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
2.2.4.2Hiernach durfte die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit der Klägerin (noch) davon ausgehen, dass die Mitarbeiterin G. frühestens zum 30.06.2010 zurückkehren würde.
Die Beklagte hat hierzu in beiden Rechtszügen substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die zeitweilige Abwesenheit der Mitarbeiterin G. dadurch begründet war, dass sie als zusätzliche Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben in der Agentur für Arbeit E. tätig werden sollte und dass bis zum Ende des Befristungszeitraums Haushaltsmittel zur Verfügung stehen würden. Danach durfte die Beklagte annehmen, dass der Vertretungsbedarf mit der Klägerin auch bis zum 30.06.2010 bestand und dass dann die Mitarbeiterin G. zu ihren ursprünglichen Aufgaben zurückkehren würde. Eine andere Sichtweise lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass sich die Mitarbeiterin G. inzwischen auf eine andere Stelle beworben hatte. Selbst wenn sich Frau G. am 02.12.2009 und auch schon vorher auf mehrere Stellen als Arbeitsvermittlerin beworben haben sollte, war dies nach der nicht zu widerlegenden Einlassung der Beklagten jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit der Klägerin am 11.12.2009 unbekannt. Die Rückkehrprognose wurde auch nicht dadurch rückwirkend zu Fall gebracht, dass Frau G. mit Schreiben vom 29.01.2010 ab dem 01.03.2010 nach P. abgeordnet wurde und dass sie mit Wirkung vom 01.06.2010 endgültig versetzt wurde. Die dargestellte Entwicklung lag erkennbar zeitlich nach dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages mit der Klägerin und konnte deshalb die Prognose über die zu erwartende Rückkehr der Frau G. zum 30.06.2010 nicht erschüttern.
2.2.5Schließlich kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass es an einer Kongruenz zwischen der Dauer des befristeten Arbeitsvertrages und der Abwesenheitszeit der Frau G. mangelt. Eine solche Kongruenz ist für die Rechtswirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrags zur Vertretung nicht erforderlich (BAG 06.12.2000 - 7 AZR 262/99 - DB 2001, 870).
2.2.6Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit der Doppelbefristung vom 11.12.2009 wirksam befristet worden ist und damit spätestens zum 30.06.2010 auslaufen sollte.
2.3Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist das wirksam befristete Arbeitsverhältnis nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis "umgewandelt" worden, weil die Klägerin über den 01.06.2010 weitergearbeitet hat.
2.3.1In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts geht auch die erkennende Berufungskammer zunächst davon aus, dass mit der endgültigen Versetzung der Frau G. zur Agentur für Arbeit P. am 01.06.2010 der im Anstellungsvertrag vom 11.12.2009 umschriebene Zweck erreicht war. Mit der endgültigen Versetzung der Frau G. stand nämlich fest, dass eine Vertretung der Frau G. nicht mehr erforderlich war, weil sie - endgültig - nicht mehr auf ihren Arbeitsplatz in E. zurückkehren würde. Es ist deshalb von einer Zweckerreichung im Sinne des § 15 Abs. 2 TzBfG auszugehen.
2.3.2Indessen hat es die Beklagte versäumt, die Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG über den Zeitpunkt der Zweckerreichung zu informieren, so dass grundsätzlich auch von einem Fortbestehen des weiterhin befristeten Arbeitsvertrages bis zum 30.06.2010 auszugehen ist. Mit Erreichen dieses Datums wurde dann aber das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis rechtswirksam beendet, weil auch die kalendermäßig bestimmte Befristung, wie oben dargelegt, durch den sachlichen Grund der Vertretung gerechtfertigt war.
2.3.3Das befristete Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach Zweckerreichung nicht durch die tatsächliche Weiterbeschäftigung der Klägerin zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis geworden, weil § 15 Abs. 5 TzBfG auf Fälle der vorliegenden Doppelbefristung nicht angewendet werden kann.
2.3.3.1Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm kann von § 15 Abs. 5 TzBfG gemäß § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden. Würde man darüber hinaus in Fällen der Doppelbefristung ein Abweichen von der Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG zulassen, wäre dem Arbeitgeber die Entscheidungsalternative eröffnet, das Arbeitsverhältnis trotz Wegfalls des Befristungsgrundes ohne begleitenden Sachgrund befristet fortzuführen (LAG Hamm 29.10.2009, a. a. O.; vgl. auch: APS-Backhaus, 3. Aufl., § 15 TzBfG, Rdn. 89, KR/Fischermeier, 9. Aufl., § 625 BGB, Rdn. 11 a; Erfurter Kommentar-Müller-Glöge, 9. Aufl., § 3 TzBfG Rdn. 13).
2.3.3.2Nach anderer, wohl herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist bei der Doppelbefristung § 15 Abs. 5 TzBfG nicht anzuwenden bzw. teleologisch zu reduzieren. Diese Meinung weist darauf hin, dass bei einer Doppelbefristung sowohl Zweckbefristung wie auch Kalenderbefristung aus Sicht des Vertragsschlusses zulässig und wirksam nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG vereinbart worden sind. Entscheidet sich der Arbeitgeber in einer solchen Situation bei vorzeitiger Zweckerreichung dafür, nicht nach § 15 Abs. 2 TzBfG zu verfahren und dem Arbeitnehmer gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG das Ende des Arbeitsverhältnisses anzuzeigen, sondern den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kalenderbefristung zu beschäftigen, so soll das unschädlich sein. Das Arbeitsverhältnis endet dann mit dem Erreichen des vorher vereinbarten Kalendertermins. § 15 Abs. 5 TzBfG ist demgemäß bei einer Weiterbeschäftigung über den zuerst realisierten Beendigungszeitpunkt hinaus bis zum Eintritt des zweiten Beendigungstatbestandes nicht anzuwenden (vgl. hierzu Arnold/Gräfel, TzBfG, 2. Aufl., § 3 TzBfG Rdn. 20; Meinel u. a., TzBfG, 3. Aufl., § 15 TzBfG Rdn. 69; vgl. auch Arbeitsgericht Berlin 27.11.2003 - 79 Ca 22206/03 - LAGE § 15 TzBfG Nr. 2).
2.3.3.3Die erkennende Kammer schließt sich der zuletzt dargestellten Meinung an und nimmt eine teleologische Reduktion für den Fall vor, dass beide Befristungen mit sachlichem Grund gerechtfertigt und damit rechtswirksam gewesen sind.
Dabei wird entscheidend darauf abgestellt, dass es für die Wirksamkeit der Befristung und für die Frage des Vorliegens eines sachlichen Grundes auf den Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages ankommt. Nach diesem Zeitpunkt allein bestimmt sich, ob wegen der Abwesenheit des zu Vertretenen und der festzustellenden Rückkehrprognose ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags zur Vertretung angenommen werden kann. Dieser sachliche Grund und damit die Rechtfertigung für die Befristung verändert sich aber nicht, wenn es zu einer vorzeitigen Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters kommt, die zur Zweckerreichung führt. Selbst wenn in einem solchen Fall der Arbeitgeber von einer Mitteilung über die Zweckerreichung absieht und den Arbeitnehmer weiter arbeiten lässt, ist diesem bewusst, dass das Arbeitsverhältnis spätestens mit Erreichen des kalendermäßig bestimmten Befristungsendes von einem Auslaufen des Arbeitsverhältnisses auszugehen ist. Es ist in diesem Fall dann aber auch nicht erforderlich, der nur noch zeitlich befristeten Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG zu widersprechen. Insbesondere kann dann aber auch keine Unsicherheit über das tatsächliche Ende des Beschäftigungsverhältnisses entstehen; dieses steht mit Abschluss des befristeten Vertrages unzweifelhaft und von vornherein fest.
2.4Soweit sich die Klägerin schließlich darauf beruft, dass selbst das Bundesarbeitsgericht inzwischen Veranlassung hat, bei mehrfach befristeten Arbeitsverträgen zur Vertretung den Europäischen Gerichtshof anzurufen, um die Zulässigkeit der Vereinbarung befristeter Verlängerungsverträge prüfen zu lassen, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Die vorliegende Fallkonstellation bietet jedenfalls (noch) keinen Grund, von der bisherigen Spruchpraxis Abstand zu nehmen. Hinsichtlich der Klägerin ist nämlich festzuhalten, dass sie zunächst über den gesetzlich zulässigen Zeitraum von zwei Jahren ohne sachlichen Grund befristet beschäftigt worden ist. Eine "Befristung zur Vertretung" erfolgte nur mit den Arbeitsverträgen vom 18.11.2008 und 11.12.2009, also insgesamt zweimal. In diesem Fall kann jedenfalls noch nicht davon gesprochen werden, dass ein ständiger Vertretungsbedarf gegeben ist, der durch die wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrages mit dem rechtfertigenden sachlichen Grund einer Vertretung abgedeckt werden soll. Gerade diese Fallkonstellation ist aber Gegenstand der Vorlageentscheidung des Bundesarbeitsgerichts gewesen (vgl. hierzu: BAG 17.11.2010 - 7 AZR 443/09 (A) - NZA 2011, 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die erkennende Kammer hat die Revision für die Klägerin zugelassen, weil sie das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bejaht hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
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Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |